Kunst im kirchlichen Raum

"Auf der Suche nach dem Sakralraum"

Nachkonziliarer Kirchenbau im Bistum Würzburg
Autor: Barbara Kahle
Echter Verlag Würzburg, 1996
ISBN:  3-429-01795-5


Kitzingen, St. Jochannes, Seiten 144-145

Im 15. Jahrhundert als dreischiffige Halle mit Langchor, einheitlichem Netzgewölbe und Emporen im südlichen Seitenschiff angelegt, stellt die Johanneskirche in Kitzingen eines der bemerkenswertesten spätgotischen Bauwerke Nordbayerns in der Nachfolge der Würzburger Marienkapelle dar. Das mit Wandfresken und zahlreichen Altarsteliun-gen einst reich ausgestattete Innere erfuhr im Laufe der Jahrhunderte eine wechselvolle Geschichte, die über Barockisierung, klassizistische Erneuerung und Regotisierung zu Ende des 19. Jahrhunderts bis in unsere Tage reicht.

Dem Zeitgeist der fünfziger Jahre entsprechend, wurde ab 1958 vor allem der Chorraum einer Neukonzeption unterworfen,
die das Entfernen der neugotischen Ausmalung wie auch der gleichzeitigen Altaraufbauten zur Folge hatte. Gemäß den
gewandelten Liturgiebestrebungen wurde ein neuer Zelebrationsaltar aufgestellt - 1970 an die Schwelle des Chorraumes
vorgezogen, gebildet aus der Mensa des linken Seiten-altares und hervorgehoben durch ein frei aulgehängtes Kreuz mit einem
Corpus aus spätromanischer Zeit. Bedeutendstes Zeugnis dieser Umgestaltung der fünfziger Jahre ist die Neuverglasung der
sieben hohen Maßwerkfenster im Chor durch Johannes Schreiter 1959-1964 (Abb. S. 35), wobei ursprünglich auch an eine
Neugestaltung der Langhausfenster gedacht war. Anstelle der neugotischen Fenster, die in ihrer Farbigkeit und kleinteiligen
Binnenstruktur mittelalterliche Glasmalereikunst Wiederaufleben lassen wollten, bekannten sich Schreiter und seine Auftraggeber konsequent zu einem modernen Weg, der nicht als Kompromiß historisierender Rücksichtnahme zu werten ist, sondern als Begegnung zweier Kunstepochen. Hans H. Hofstätter hebt in seiner zeitgenössischen Würdigung (Hans H. Hofstätter: Johannes Schreiter. Neue Glasbilder. München 1965) hervor, daß die Bereiche bewußt nicht als Verschmelzung angelegt sind, sondern als Steigerung ihrer Eigenart: die Architekturform kristallisiert sich als betont gotische Form heraus, das Fenster als betont moderne Form. Die eigene Gestaltungsweise wird deutlich einmal in der Behandlung aller sieben Fenster als geschlossene Bildkomposition, in dem der Verlauf der Formen durch die Pfeiler nur verdeckt, nicht aber abgeschlossen wird, des weiteren in betont atektonischer, organischgeziemender Formabwicklung sowie in der eigenständigen Farbgebung mit kühlem Blau, Oliv und hellen Flächen. Einem gläsernen Vorhang gleich, ummanteln die Fenster den Chor und lassen die Architekturglieder in ihrem reichen Spiel bewegt hervortreten. Thematisch mit der Erscheinung des Herrn assoziiert, lassen die Fenster Gleichnisse des Werdens von Licht und Materie erahnen, der Scheidung von Hell und Dunkel, der gegenseitigen Durchdringung jener Krätte, die das geistige und materielle Leben begleiten und bestimmen, so Hofstätter. Anlaß für eine neuerliche umfassende Renovierung der Johanneskirche 1994/95 waren zunächst gravierendere Bauschäden infolge aufsteigender Feuchtigkeit. Gleichzeitig bot sich die Umgestaltung des Chorraumes an, resultierend aus einer Unzufriedenheit mit der dem gotischen Bau nicht angemessenen Leere in der Chorrundung unterhalb der Fenster. Ein hier aufgestellter kleiner Orgelprospekt und nicht zuletzt auch die historisierende Altarlösung befriedigten nicht. Aus anfänglichen Überlegungen zur Neukonzeption eines Hochaltares kristallisierte sich immer stärker der Wunsch nach einem zeitgemäßen Bild heraus. Probeweise gehängte Bilder aus dem Apokalypse-Zyklus von Jacques Gassmann bestätigten die

Richtigkeit einer solchen noch gedanklichen Konzeption. In den Erläuterungen zum nun ausgeschriebenen kleinen Wettbewerb wurde ein thematischer Bezug zum Kirchen-patrozinium festgelegt, allerdings nicht in Erwartung einer motivischen Darstellung, sondern hinsichtlich der theologischen Bedeutung der Johannesfigur. Das zur Ausführung gelangte Bild von Jacques Gassmann (Abb. S. 37) sucht dieser Aufgabe in einer fasl visionären Darstellung des Johannes gerecht zu werden, der aus der Dunkelheit Licht ausgießend erfahren werden kann. In eigenständiger Behauptung gegenüber den Schreiter-Fenstern zieht die Darstellung den Blick des Kirchenbesuchers auf sich als Zielpunkt des Wegraurnes. Nicht eingebunden in einen retabelähnlichen Aufbau steht das Bild in einer stählernen Rahmenkonstruktion frei vor der umschließenden Chorwand. Der steinerne Altar, Ambo und die beweglichen Sedilien wurden von Christoph Mai, Bamberg, neu gestaltet.



Kitzingen, St. Johannes
 
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