Kunst im kirchlichen Raum

"Zillo", Zeitschrift für Musik&Kultur


Zeitschrift für Musik&Kultur
06, 2000

Zillo MusicMedia Verlag GmbH



Painting: Jacques Gassmann, Seiten 44-47


Der Text:

In Zeiten des allgemeinen multimedialen Overkills und Crossovers wirkt der 1963 geborene Jacques Gassmann mit seinen getuschten Stillleben auf den ersten Blick wie ein konventioneller Maler, für unsensible Gemüter vielleicht gar wie ein Relikt, dessen favorisierte
Darstellungsformen kaum etwas mit der Designerwut der heutigen trendgerechten Yuppies zu tun hat. Doch trotz der oftmals archaischen
Thematiken ist er weit davon entfernt, antiquierte Pfade zu beschreiben und in gewissem Sinne weitaus multimedialer als viele andere Künstler, mit dem Unterschied, dass diese multimedialen Prozesse nicht plakativ hör- und sichtbar sind, sondern eine intensives, vorurteilsfreies Sich-Einlassen auf
seine Kunst voraussetzen.

In der Tat spielt Musik für Jacques Gassmann eine ebenso große Rolle wie die Malerei;
In den 80er Jahren experimentierte er mit elektronischer Musik und verband schon früh
Malerei und Klänge in zahlreichen Performances - und auch, heute noch entstehen seine Bilder vornehmlich zu Musik, überwiegend zu Bands wie Laibach oder Young Gods, aber auch klassischer Musik wie -i.B. Arvo Pärt, Henryk Corecki oder Fauré.
Zu diesen Klängen entstand auch sein bis heule beeindruckendster Zyklus, die "Apocalypse", eine Sammlung von großformatigen halbabttraklen Tuschwerken, die die "Offenbarung des Johannes" aus dem Neuen Testament illustrieren. In seiner dunklen Intensität ist dieser Zyklus den Werken der slowenischen Künstlergruppe Irwin, dem bildnerischen Arm der Laibach-Kunst, verwand.
Für die Gefühls- und Erlebniswelt Gassmanns gibt es, kaum feste Grenzen
zwischen den Ausdrucksformen, denn was zählt, ist letztendlich der Ausdruck selbst. 

Jacgues Gassmann: "Auf meinen Bildern ist zwar durchaus etwas zu erkennen, es wird aber nie so positioniert, dass es sofort ins Auge lallt. Dennoch hat der Betrachter schon oft diese Assoziation, ohne dass das Konkrete massiv im Vordergrund steht. Bei der Musik ist es ähnlich. Wenn die Musik nicht mit schweren, deutlichen Worten belastet ist, bleibt es dem Zuhörer vollkommen frei, sich darunter etwas Bestimmtes vorzustellen, sei es eine Szene, eine Erinnerung, oder es bet-influssl gar das Verhallen oder die Sprache.  Somit haben Kunst und Musik die gleiche stimulierende Wirkung wie Alkohol. Licht oder Atmosphäre im allgemeinen. Und so sollten auch Bilder nicht zuviel verraten. Kunst und Musik sollten Energien freisetzen, sei es im Körper oder im Herzen. In meinem Falle versuche ich die Informationen für ein Thema, für einen Zyklus,zu sammeln und mit diesen Elementen einen "Soundtraek" in meinem Atelier abspielen zu lassen. Dieser "Soundtrack" besteht nicht nur aus Musik, sondern aus Gesprächen, Interviews, Zeitungsausschnitten, eigentlich aus allem, was zusammengetragen wurde, um mich dann in einer Art Rausch und Nebel völlig frei auf der Leinwand zu bewegen. Dies ist für mich durchaus ein multimedialer Aspekt, den ich in den Ausstellungen Z.B. durch Musik und Tänzer zu komplettieren versuche. Gerade weil die Thematiken meiner Zyklen sehr umfangreich sind, versuche ich durch akustische Elemente oder durch ein entsprechendes Ambiente, wie z.B. ein Kloster, den Zugang zu erleichtern, indem man eins wird mit dem ganzen Komplex."

Mit Vorliebe hört Jacques Gassmann elektronische Musik, Bands wie Leibach ober Biosphere, deren Klängen eine Dynamik und vor allem auch Mystik innewohnt, die man auch in seinen Bildern wiederfindet. Und ist für viele ungeübte Ohren die Elektronik auch heute noch ein Mysterium, so wird für den , auch geschulten, Betrachter
die einmalige Tuschtechnik von Jacques Gassmann ein Rätsel sein. Eine Technik, die er selbs "Ogrody" nennt und die er bis heute auch seinen engsten Freunden nicht preisgegeben hat. 

Jacques Gassmann: "Dazu fällt nir der Begriff ´Tinbre´ ein. Bei vielen Bands kann man nie logisch erklären warum sie eigentlich erfolgreich sind. Warum ist eine Melodie besonders hinreißend, warum zwingen gewisse Klänge die Massen in die Knie? Es ist dieses magische Moment, das ´Timbre´, das nicht allein auf die Stimme beschränkt sein muss. Man fragt einen Musiker heute kaum mehr, was er mit seinem Song aussagen will. Natürlich hat er eine Botschaft, aber die ist meist nicht vordergründig, also lässt man ihn in Ruhe. Doch bei der Kunst ist es leider umgekehrt, man geht hier immer noch davon aus, dass das Werk für den Betrachter geschaffen wurde. Darum werde ich immer noch gefragt, was ich mir dabei gedacht habe. Dabei denke ich nicht, ich male, ich drücke mich aus. Ich bin kein Bediener, der zu einem Produzenten im Sinne des Konsumenten wird, sondern ebenso wie bei der Musik bin ich aus einem Inspirationsmoment heraus geradezu gezwungen, mich auszudrücken.
Es ist eine Art ausatmen.
So bin ich auf der einen Seite zwar Handwerker, der das umsetzt, was die Energien verlangen, der Rest aber sind Inhalte, die transportiert werden müssen." 

Jacques Gassmanns Tuschtechnik heißt nicht umsonst ''Orgrody" (Garten). Die dreidimensional wirkenden, meist mit dunkler grüner und blauer Tusche gestalteten übergroßen Werke (meist drei Meter hoch und mindestens l Meter breit) scheinen
sehr organisch, teilweise erdig, oftmals aber durchaus auch bedrohlich...

Jacques Gassmann: "Es zu schaffen, Leute zum Schweigen oder gar zum Zittern zu bringen, ist für mich wichtiger, als ein rein dekoratives Bild für viel Geld zu verkaufen. Das Erdbetonte, Existenzielle, eine Pflanze zu beobachten, ohne ihren Nutzen zu sehen, das ist etwas, was eigentlich jeder sucht."
 
Gassmanns "Coast"-Zyklus lässt gerade diese Sichtweise deutlich werdet. Hier wurden praktisch nach Vorlagen real existierender Karten Landschaften gemalt, auf denen die Zivilisation völlig ausgespart wurde.

Jacques Gassmann: "Dieser Zyklus beinhaltet diese entvölkerten Gebiete, eigentlich das, was sich jeder vorstellt und wünscht, wenn er Reiseprospekte studiert. Er stellt sich vor, er käme in eine intakte Natur, mit der er eins werden und sich fallen lassen kann." 

Im Gegensatz zu den sehr farbenfrohen, fast angenehmen Bildern des "Coast"-Zyklus sind die Werke der anderen Zyklen weitaus dunkler. Vor allem der "Apocalypse"-Zyklus scheint partiell das Licht aufzusaugen, zudem wird hier Gassmanns Faible für mystische und religiöse Thematiken mehr als deutlich. 

Jacques Gassmann: "In mir wuchs der Wunsch nach einer Position, die ich durch die zweijährige Arbeit am Apocalypsezyklus erreichte. Wenn man diesen Text vorurteilsfrei liest, ihn von der Instrumentalisierung und der Verfremdung der Interpretationen befreit und zu den Inhalten zurückkehrt, wird man schnell feststellen, dass es hier große Parallelen zu unserem heutigen Lehen und unserer ewigen Sinnsuche gibt."

Den multimedialen Aspekt von Jacques Gassinanns Arbeit habe ich schon erwähnt. Das interaktive Element ist aber auch in seinen Ausstellungen zu finden, die stets von Musik. Geräuschecollagen oder von Tänzern begleitet werden, dennoch fand ein Austausch mit anderen Malern oder bildnerisch arbeitenden
Künstlern nicht statt. 

Jacques Gassmann: "Das ist richtig. Bis auf die Zeiten des Aktionismus und der Performances hat es das nicht gegeben. Das liegt wohl auch daran, dass meine Arbeit ein sehr intimer Akt ist. Es ist generell selten, dass Maler mit Kollegen kooperieren, sich sozusagen ins Handwerk pfuschen lassen oder gar zu teilen bereit sind. Es ist ein sehr absolutistisches Arbeilen. Meine Arbeit mit Künstlern aus anderen Genres rührt daher, dass ich erkannt habe, dass Multimedia zwar ein tolles Wort ist, doch ebenso ein Verlust der Qualitäten auf jedem einzelnen Gebiet sein kann, wenn es aus einer Hand kommt. Als guter Multimedia-Künstler müsste ich ein guter Musiker und Tänzer sein und obendrein noch ein Video drehen können, also ein Genie. So habe ich immer wieder Leute gesucht, die auf ihrem Gebiet stark und autark sind. Es ist ein reaktives Arbeiten, das sich im perfekten Fall zu einer Einheit zusammenfügt."

So hat auch der Autor dieser Zeilen des öfteren mit Jacques Gassmann zusammengearbeitet (u.a. an den Soundlracks für die Ausstellungen "Ogrody" und "Top Gun"). Was mich von jeher am meisten an Gassmanns Arbeiten fasziniert, ist die starke, ob der Größe der Bilder oftmals überwälügende atmosphärische Kraft der Werke, Trotz der Komplexität der Thematiken kann man seine Kunst auch ohne zwingende, intensive Beschäftigung mit den Inhalten auf dieser Ebene genießen.

Jacques Gassmann: "Diese Sinnebene ist oftmals nicht wichlig. Wenn jemand wirklich ergriffen und gar so erschlagen ist, dass er seine Ergriffenheit nicht'einmal mehr formulieren kann und der Intellekt völlig ausgeschaltet wird, dann ist das großartig. Ich versuche das ja auch immer noch ein wenig durch diese sehr großen Formate zu manipulieren. Je größer das Bild ist, desto mehr beherrscht es dich, es ist ähnlich wie im Kino. Im Fernsehen kannst ist du der Szenerie oftmals entfliehen, im Kino ist es unausweichlich, denn du hast keinen Rand, an dem du dich festhalten kannst, du bist im Bild, in der Szene.Doch Kunst muss uns soll nicht zwangsläufig erschlagen, sie kann auch eine Art Medizin sein. Gerade die Ambient-Musik von Brian Eno z.B. flöße ich mir ein wie eine Arznei oder ein heilsames Fußbad."

Doch gerade der bildenden Kunst haftet ja das Etikett an, dass sie im Gegensatz zur schnelllebigen populären Musik einen bleibenden Wert und "Sinn" besitzen muss.

Jacques Gassmann:
''Vielleicht liegt es einfach an der Funktionalität. Du hörst eine CD im Auto und wenn sie dir Dicht gefällt, nimmst du sie raus und legst schnell eine andere rein. Die Mobilität von Musik lässt schnelle Wechsel zu, die bestimmten Situationen angepasst werden können. Du kannst Musik also benutzen.
Bei der Malerei musst du dagegen den Raum aufsuchen, wo sie zu finden ist. Von daher haftet der Malerei immer etwas Statisches an, du musst dich auf sie vorbereiten." 


Jacques Gassmanns Kunst ist ähnlich wie die Klänge des von ihm verehrten Eno, ein subtiles, manchmal stilles Konstrukt, das Offenheit und Bereitschaft erfordert. In den Zeiten der medialen Bilderflut vor allem via Internet und PC, der Verfügbarkeil und damit auch der Entwertung samtlicher visueller Reize, bat es subtile, zu erarbeitende Kunst sehr schwer, egal ob Ton oder Bild.
Somit steht Gassmann Medien wie dem Internet mehr als kritisch gegenüber. 

Jacques Cassmann: ''Das Internet ist nicht nur eine Gefahr, sondern der Unfall schlechthin. Es ist ein Selbstbetrug. Egal, ob es um Musik, Theater oder Kunst geht, glaubt man sich hier in der Lage Dinge in einer sehr komprimierten Fassung beurteilen zu können. Ich vergleiche es mit Hörproben in einem Plattengeschäft.  Wenn man sich diese Platten zu Hause mit der entsprechenden Ruhe in voller Länge anhört, werden sie eine ganz andere Wirkung haben als in der Hektik des Geschäfts. 
Hätte ich meine Bilder über Internet angeboten, wäre ich finanziell ruiniert, denn so klein, wie sie dort dargestellt sind, lässt sich die Technik und die Kraft der Farben nur erahnen. Das ändert sich auch nicht mit einer hohen Pixel-Auflösung oder ellenlangen, nichtssagenden Biographien. Mir ist es schon oft passiert, dass aufgrund von
Fotografien meiner Bilder gewisse Ausstellungen nicht zustande kamen. Als der Organisator die Bilder dann später im Original sah, war er überrascht über die Farbigkeit und Intensität. Mit Anspieltipps ist meiner Kunst also nicht gedient. Im Prinzip müsste das Internet permanent warnen, um den Leuten klarzumachen, dass das, was sie sehen, nur ein Bruchteil oder ein Sample der Realität ist." 

Doch es gibt doch zahlreiche Künstler, die das Internet gerade als kreatives
Werkzeug entdeckt haben.

Jacques Gassmann: "Wichtig ist die Komposition des Werks, die Aura des Künstlers. Der Impuls muss da sein, die Persönlichkeit. Benutzt man das Internet tatsachlich als Werkzeug, dann ist es so legitim wie z.B. Copy-Art. Wenn das Medium zu der Message konform geht, ist es in Ordnung, nur die Dinge, mit denen sich Internet-Künstler beschäftigen, sind zwangsläufig sehr nah am Thema, es geht um Digitalisierung, Kommunikation. Geschwindigkeit usw. Und wenn jemand versucht, den
User mit einem Buddha auf dem Bildschirm zur Meditation anzuregen, muss es schiefgehen...!"
 

Ecki Stieg Kontakt: Jacques Gassmann/Uli Schneider - Magdalenenstr. 65 B - Hamburg

 
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